Heiter bis sonig - Die vielen Comebacks des Heung-min Son 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-18

In seiner Woh­nung hängt ein Trikot von Didier Drogba. Guy Demel hat es ihm mal geschenkt, da ging es Heung-min Son nicht so gut, denn er hatte sich den Fuß gebro­chen. Der Süd­ko­reaner liebt das Trikot. Didier Drogba ist einer der besten Fuß­baller der Welt, ein Mann, der tri­um­phiert hat, einer, der den Arm um einen legt und das Leben und den Fuß­ball und all den anderen Kram erklärt. Eine Vater­figur.
 
Viel­leicht braucht Heung-min Son das. Einen Mann an seiner Seite, einen mit Cha­risma. Ruud van Nis­tel­rooy war so einer. Der Nie­der­länder hatte Son mal als Zukunft des HSV“ bezeichnet, und nach einem beson­ders guten Spiel sagte er: Ich küm­mere mich um ihn. Weil er ein guter Junge ist und weil ich früher gerne jemanden gehabt hätte, der sich um mich geküm­mert hätte.“ Doch der Mann ver­ließ den HSV 2011 und danach gelang Son nicht mehr viel. 
 
Dabei galt er als der Heils­bringer des Klubs, noch bevor er sein erstes Bun­des­li­ga­spiel bestritten hatte. Sons Auf­stieg erin­nerte bis­weilen ein biss­chen an den von Shinji Kagawa. Der Japaner kam vor der Saison 2010/11 für läp­pi­sche 350.000 Euro zu Borussia Dort­mund und war inner­halb weniger Wochen und zwei Toren gegen Schalke 04 zu einem der begehr­testen Spieler der Welt geworden.
 
Auch in Ham­burg dachten sie vor der Saison 2010/11, einen Wun­der­knaben aus Fernost ver­pflichtet zu haben. Heung-min Son war wendig, drib­bel­stark, tor­ge­fähr­lich, unbe­küm­mert. Das war einer, der für den Erfolg alles tun wollte, einer, der jeden Tag lernen wollte, der Demut kannte, aber Ziele hatte. Einmal sagte er: Ich will Tor­schüt­zen­könig werden.“ Zu seinem 18. Geburtstag schenkte ihm der Klub einen Pro­fi­ver­trag.
 
Heung-min Son war 2008 im Rahmen eines Part­ner­pro­gramms mit dem süd­ko­rea­ni­schen Fuß­ball­ver­band zum HSV gewech­selt. Sechs Talente hatte der Ver­band damals aus 40 Jugend­li­chen aus­ge­wählt und nach Nürn­berg und Ham­burg geschickt. Nur einer blieb: Heung-min Son.

Das Gesicht unseres Ver­eins“
 
Das Fuß­ball­spielen hatte er auf einer Fuß­ball­schule seines Vaters gelernt. Nach Ham­burg kam er ohne seine Eltern und ohn ein Wort Deutsch zu spre­chen. Er wohnte anfangs im HSV-Internat in Ham­burg-Och­sen­zoll, sein Zimmer war 15 Qua­drat­meter groß, zum Trai­ning ging es mit der U‑Bahn. Doch als er seinen Pro­fi­ver­trag unter­schrieb, zog er aus, auch weil er Ham­burg ent­de­cken und die Sprache lernen wollte. Die Klub­bosse jauchzten. Mit seiner offenen Art ist er das Gesicht unseres Ver­eins“, sagte der Vor­stands­vor­sit­zende Carl Jar­chow einmal.
 
Son wurde tat­säch­lich so was wie ein Aus­hän­ge­schild. Er war ein Typ, der den großen Auf­bruch ver­sprach. Ein Talent, das sich, trotz der unge­dul­digen Spon­soren, Medien und Ent­schei­dungs­träger, end­lich mal beim HSV durch­setzen könnte. Da waren sich alle einig.
 
Dass ein Süd­ko­reaner finan­ziell lukrativ sein würde, war schon vorher klar. Der Ham­burger SV schloss nach seiner Ver­pflich­tung Wer­be­ver­träge mit der süd­ko­rea­ni­schen Rei­fen­firma Kumho Tyres“ und dem Solar-Unter­nehmen Hanwha“ ab. Die Deals ver­spra­chen Ein­nahmen von rund drei Mil­lionen Euro.
 
Heung-min Son machte das Spiel gerne mit. Er war über die Jahre dau­er­prä­sent. In Süd­korea stieg er neben Man­chester Uniteds Ji-sung Park schnell zum Star auf, der es im fernen Europa geschafft hatte. Heute werden sämt­liche Spiele des HSV in seiner Heimat über­tragen. In Ham­burg schmückte sein Gesicht einmal wochen­lang die Pla­kate einer Image-Kam­pagne des Klubs. In dieser Som­mer­pause nahm er mit dem Techno-Musiker H.P. Baxxter von Scooter“ den Tor­song Always Ham­burg“ auf. Son war überall.

Am Anfang gelang ihm fast alles: Er war die große Ent­de­ckung des Som­mers 2010, in fünf Test­spielen gelangen ihm neun Tore. 1899 Hof­fen­heim, Bayer Lever­kusen und ein paar Klubs aus Eng­land sollen ange­fragt haben. Dann kam das Freund­schafts­spiel gegen den FC Chelsea. Son wurde in der 82. Minute ein­ge­wech­selt, fünf Minuten später spielte er die Star-Defen­sive der Lon­doner schwin­delig und schoss zum 2:1 ein. Es war sein erstes Tor im Volks­park­sta­dion, knapp 45.000 Zuschauer waren gekommen. Einen sol­chen Treffer ver­gisst ein Spieler nie mehr. Doch kurz vor Abpfiff der Partie brach sich Son den Fuß. In der Kabine flossen Tränen.

Als sein Ent­de­cker gilt Ex-HSV-Profi Soner Uysal, heute Co-Trainer der 2. Mann­schaft. Damals, nach dem Fuß­bruch, sagte er über Son im kicker“: Er wird besser aus dem ersten Knick raus­ge­kommen als andere.“ Und tat­säch­lich: Der junge Stürmer kam zurück. Knapp drei Monate nach der Ver­let­zung stand er wieder auf dem Platz, bei seinem Bun­des­li­ga­debüt gegen den 1. FC Köln schoss er die zwi­schen­zeit­liche Füh­rung. Ein Tor, so unbe­küm­mert, so frei von jeder Last. Son rannte in der 24. Minute alleine auf Miro Var­vodic zu, lupfte den Ball über den FC-Tor­hüter und schoss dann ins leere Tor ein. Selbst in Zeit­lupe sieht das Tor aus wie in einem Com­pu­ter­spiel. Trainer Armin Veh jubelte: Den Jungen gebe ich nicht mehr her!“
 
Nun wollten sie alle von dem kleinen Come­back berichten, doch Heun-min Son ver­schwand nach dem Spiel ein­fach in der Kabine. Er durfte nichts sagen. Son war zu diesem Zeit­punkt 18 Jahren und 114 Tagen und damit der jüngste HSV-Tor­schütze aller Zeiten. Später sagte er doch was. Zum Bei­spiel: Wir Süd­ko­reaner sind sehr fleißig.“ Und: Ich habe immer Lust auf Fuß­ball.“

Ver­su­chen, Son die Angst zu nehmen“
 
Doch danach ging erst einmal nichts mehr. Zwi­schen Herbst 2010 und Sommer 2012 suchte Heung-min Son sehr häufig seine Leich­tig­keit. Er fand sie nur in der Vor­be­rei­tung wieder. Im Liga-Total-Cup 2011 zum Bei­spiel gegen den FC Bayern, als er den Rekord­meister mit zwei Toren im Allein­gang erle­digte. Jupp Heyn­ckes schwärmte danach: Ein außer­ge­wöhn­li­ches Talent.“ In den ersten Spielen unter Michael Oen­ning lief es auch noch gut. Dann kam Thorsten Fink, und der HSV steckte im Abstiegs­kampf. Mit einem Mal wirkte alles, was Son tat, blau­äugig und unbe­holfen. Die Sprints, die Dribb­lings, die Schüsse – es sah aus, als mühte sich dort einer, der dieser Bun­des­liga-Robust­heit ein­fach nicht gewachsen war.

Thorsten Fink sagte zwar, er werde ver­su­chen, ihm die Angst zu nehmen“, doch Son war bis zum Ende der Saison 2011 hinter erfah­renen Stür­mern wie Paolo Guer­rero oder Mladen Petric nur noch dritte Wahl. Unter dem neuen Coach machte er fünf Spiele von Beginn, 14 Mal wurde er ein­ge­wech­selt. Immerhin: Am 15. April schoss Son ein Tor gegen Han­nover 96. Es war ein schöner und eine wich­tiger Treffer, denn er ver­hin­derte den Abstieg der Han­seaten. Noch so ein kleines Come­back. Doch schon zwei Spiel­tage später saß er wieder auf der Bank.

In der kom­pletten Vor­be­rei­tung und in den ersten drei Pflicht­spielen der aktu­ellen Saison gelang der Offen­sive des HSV wenig bis nichts. Art­joms Rud­nevs und Marcus Berg blieben bis­lang ihrer Erst­li­ga­taug­lich­keit schuldig und Son wirkte so gefähr­lich wie ein Papier­flieger bei Wind­stärke acht. Doch dann, am 31. August, am letzten Tag der Trans­fer­pe­riode, kehrte Rafael van der Vaart zurück. Er sollte den HSV aus dem Abstiegs­kampf schießen.

Ist das schon ein Come­back?
 
Come­back ist ein großes Wort im Fuß­ball. Spieler, die über Jahre in der Ver­sen­kung ver­schwunden waren oder meh­rere Spiel­zeiten mit Ver­let­zungen her­um­plagten, Spieler wie Patrick Helmes oder Sebas­tian Kehl haben den Auf­stieg, den Fall und den erneuten Auf­stieg erlebt. Doch Heung-min Son? Er ist vor zwei Monaten 20 Jahre alt geworden. Er erlebt das nor­male Auf-und-Ab eines jungen Spie­lers. Doch wenn man so will: Er feiert dieser Tage auch sein drittes Mini-Come­back.

Das erste Spiel mit Rafael van der Vaart gegen Ein­tracht Frank­furt ging zwar mit 2:3 ver­loren, aber Son traf wieder. Das Tor sah aus wie das gegen den 1. FC Köln, Son sprin­tete leicht­füßig auf Kevin Trapp zu und umkurvte den Keeper danach geschickt. Gegen Borussia Dort­mund traf Son gleich zweimal. Ein Tor gelang ihm mit einem sehens­werten Fern­schuss, das andere in typi­scher Straf­raum­stür­mer­ma­nier. Zwei seiner drei Sai­son­tore berei­tete Rafael van der Vaart vor. Der hat bei Real Madrid, Tot­tenham Hot­spur und Ajax Ams­terdam gespielt. Er ist einer wie Ruud van Nis­tel­rooy oder Didier Drogba. Einer, der den Raum betritt und die Blicke auf sich zieht. In Ham­burg nennen sie ihn Mes­sias. Er kann Son vom Leben und vom Fuß­ball erzählen. Son mag das, und die Ham­burger haben berech­tigte Hoff­nung, dass nun, an der Seite vom großen Van der Vaart, alles gut wird mit ihrem Wun­der­knaben aus Süd­korea. Vor dem heu­tigen Spiel gegen Borussia Mön­chen­glad­bach sagte er: Viel­leicht bin ich ja ein Hol­länder.“

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