Botschaft fr den Schredder - Was passiert mit den 11FREUNDE

Schlusspfiff. Pokalsieg. Grenzenloser Jubel. Und als würde es auf der offiziellen Tagesordnung stehen, folgen nun die Gewinner einem landauf, landab verbreiteten Ritual: Im Freudentaumel streifen Spieler und Verantwortliche – bei den Amateuren wie bei den Großen in Berlin – T‑Shirts über, die sie als Pokalsieger ausweisen. Es sind nur zirka 20 Euro teure, in der Herstellung sogar spottbillige Baumwoll- und Polyesterfetzen, aber für die Beteiligten ganz wichtige persönliche Trophäen. Diese Tradition gehört mittlerweile zu einem Finale wie die Bier- oder Sektdusche für den Trainer und das unvermeidliche Abspielen der Siegeshymne „We are the Champions“.
Auch am 30. Mai 2009 nach dem 1:0‑Sieg im DFB-Pokalfinale gegen Leverkusen trugen Spieler wie Frings und Özil, aber auch Co-Trainer Wolfgang Rolff kurz nach Schlusspfiff ihre Siegershirts. Schwarze Hemden mit dem goldenem Schriftzug „Werder Bremen – Pokalsieger 2009“. Natürlich saß kein Mitarbeiter der Grünweißen nach Spielschluss im Keller des Olympiastadions, um innerhalb weniger Minuten die Leibchen zu bedrucken. Das passierte schon viele Tage vorher. Da aber nur ein Team gewinnen kann, bleibt die Kollektion des Verlierers fein säuberlich im Karton und verschwindet wieder in der Kabine, genauso klammheimlich und von der Öffentlichkeit unbemerkt wie die deprimierten Kicker der unterlegenen Mannschaft. Da wirft sich zwangsläufig die Frage auf: Was passiert anschließend mit den historischen Fehldrucken?
Wo ist Baslers Siegerkappe?
Wo ist sie, die Siegerkappe, die der bereits ausgewechselte Mario Basler beim Champions-League-Finale 1999 gegen ManU in der Nachspielzeit, nun ja, etwas voreilig aufsetzte? Thomas Wolter, von 1984 bis 1998 Profi bei Werder, jetzt Trainer von Bremens zweiter Mannschaft, erinnert sich an die knapp verpasste Meisterschaft 1986: „Unser damaliger Sponsor Portas ließ vor dem Spiel gegen Bayern München Meistershirts drucken. Dann schoss Michael Kutzop den Elfer gegen den Pfosten, und wir verspielten eine Woche später in Stuttgart den Titel. Als wir uns einen Tag danach im Park Hotel trafen, tauchten auf einmal die T‑Shirts wieder auf. Portas druckte einfach einen Schriftzug über. Da stand dann: ‚Werder Bremen – Deutscher Vizemeister 1986’. Sicher keine Überraschung, dass niemand die Dinger anziehen wollte. Mein Shirt müsste noch irgendwo auf dem Dachboden sein…“
Natürlich möchte keiner mehr über Pleiten in wichtigen Partien sprechen, denn egal was man sagt, es könnte peinlich sein. „Verlierer müssen die Klappe halten, denn sie haben versagt“, ließ einst Real Madrids mexikanischer Stürmer Hugo Sanchez wissen, als sich Spieler von Bayern München 1987/88 über das unglückliche Ausscheiden im Rückspiel des Landesmeister-Cups beschwerten. Dennoch darf die Frage nach dem Verbleib der T‑Shirts zumindest bei Turbine Potsdam erlaubt sein. Die Frauen verloren zwar das Finale 2009 in Berlin gegen FCR Duisburg mit dem Rekordergebnis von 0:7, trösteten sich aber nur eine Woche später mit dem Meistertitel.
Mathias Morack, Geschäftsführer der Turbinen, antwortete damals nach dem Endspiel vorbildlich, ja geradezu staatsmännisch: „In unserem Verein sind noch nie auf gut Glück Shirts vorab gedruckt worden, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Wir denken, dass dieses Verhalten dem Gegner gegenüber unfair wäre.“ Hm, keine T‑Shirts vorbereitet? Kaum zu glauben. Eine kurze Recherche ergibt, dass es Herr Morack mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Vo dem Uefa-Cup-Sieg 2005 existieren Fotos, auf denen die Damen direkt nach Schlusspfiff sehr wohl vorbereitete Hemden trugen, die der Fußballwelt Turbines Erfolg in schriftlicher Form darlegen. Und ebenfalls nach dem siegreichen DFB-Pokalfinale 2005. Und auch 2009 zogen die Potsdamerinnen nach dem Halbfinalerfolg gegen Wattenscheid T‑Shirts über, die ihre Reise zum Finale ankündigten.
„Mitgenommen und im Lager zerschreddert“
Die auf Textilien verewigten Botschaften von Bayer Leverkusen wird nie ein Außenstehender zu Gesicht bekommen, selbst wenn er bereit wäre, für ein derartiges Sammlerstück z. B. bei Ebay viel Geld zu bezahlen. Bayers damaliger Pressesprecher Ulrich Dost: „Wir haben die T‑Shirts wieder mitgenommen, ausgepackt und bei uns im Lager im Schredder vernichtet.“ Und, sind beim Kleinhäckseln der Oberbekleidung noch mal die zerplatzten Pokalträume hochgekommen? „Nein, das war ein ganz emotionsloser Vorgang“, sagte Dost, als hätte er einen alten Kaffeefilter entsorgt.
In den USA, so fand die New York Times heraus, gehen die T‑Shirts der Verlierer im Super Bowl, dem Endspiel um die Meisterschaft im Football, in afrikanische Entwicklungsländer wie Uganda, Niger oder Sierra Leone. Eine karitative Einrichtung sorgt dafür, dass die bedruckte Baumwolle dort landet, wo Menschen bedürftig sind. Eine schöne Idee. Wären die vorbereiteten Klamotten von Leverkusen nach jedem verlorenen Finale nach Afrika verschifft worden, wären dort – aber auch nur dort – aus Verlierern wahre Champions geworden. Und es gäbe auf dem Kontinent mittlerweile wohl kaum noch einen Bewohner ohne Bayer-04-Shirt…
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