Sebi, Hermann und das erste Mal

Publish date: 2024-12-06

Als Ost­friese in Bremen muss man ohnehin ein dickes Fell haben, als ost­frie­si­scher Tor­hüter beim SV Werder braucht man schon einen Schutz­panzer. Aber als ost­frie­si­scher Tor­hüter, der eine der höchsten Nie­der­lagen in der Geschichte des Ver­eins ver­schuldet hat, hilft einem gar nichts mehr – Her­mann Rül­ander war ver­loren. Dabei wit­terte der 21-Jäh­rige nach dem Kie­fer­bruch des Stamm­kee­pers Dieter Bur­denski die Chance seines Lebens: Gegen Ein­tracht Frank­furt am 13. Spietag der Saison 1981/82 würde er spielen dürfen. Doch viel­leicht atmete er die Bun­des­li­g­aluft etwas zu tief ein. Völlig über­mo­ti­viert und des­halb meis­tens ori­en­tie­rungslos strau­chelte er durch den Straf­raum, vier Tore schenkten ihm die Hessen ein, eines schoss er selbst. Ins eigene Gehäuse, ver­steht sich. Ob Trainer Otto Reh­hagel in der Pause über­haupt noch mit Rül­ander sprach, ist nicht über­lie­fert. Nach zwei wei­teren Gegen­toren, beim Stand von 2:7 (am Ende hieß es 2:9), nahm er ihn vom Platz – die voll­endete Schmach. 

Zwar bewies der Geprü­gelte hin­terher Ste­her­qua­li­täten, indem er mutig for­mu­lierte: »Ich brauche noch Zeit und Erfah­rung. Viel­leicht geht es nächstes Mal besser.« Doch zu diesem nächsten Mal kam es nicht: Bur­denskis Kau­leiste war ver­heilt, und zwei Wochen nach dem Waterloo gab Manager Willi Lemke Rül­ander einen Scheck über 50.000 DM und den Lauf­pass.

»Die Vor­freude ist groß«

Ein sol­ches Schicksal wird Sebas­tian Mie­litz nicht wider­fahren. Ob ihm Rül­ander über­haupt ein Begriff ist? Als es beim Ost­friesen sieben Mal klin­gelte, war der Bran­den­burger noch gar nicht auf der Welt. Warum auch zurück­schauen, wenn soviel vor einem liegt? »Die Vor­freude ist groß«, strahlte der Jung­spund, als er erfuhr, dass Thomas Schaaf ihn gegen den 1. FC Köln bringen würde, weil Stamm­keeper Tim Wiese mit einer Grippe flach lag und auch Ersatz­mann Chris­tian Vander wegen einer Leisten-OP nicht ein­satz­fähig war. Der Junge muss ran. So wie Rüländer, damals gegen Frank­furt, als »Buddes« Zähne wackelten. Auch für Mie­litz‘ war es das Bun­des­li­ga­debüt, es galt eine Serie von 22 Spielen ohne Nie­der­lage zu halten und Wer­ders Spit­zen­am­bi­tionen zu unter­mauern. Der Druck war also ungleich höher als auf Platz 11 mit der U23. Doch der 20-Jäh­rige hielt wie ein Alter. In der 53. Minute machte er gegen den schon inner­lich jubelnden Mili­voje Nova­kovic den Winkel so kurz, dass nicht einmal mehr ein Ten­nis­ball durch­ge­flutscht wäre. Kein Ball sollte Mie­litz mehr pas­sieren, am Ende hieß es 0:0. 

Ein Ergebnis, das schnell ver­gessen sein wird. Sebas­tian Mie­litz wird es indes in Erin­ne­rung behalten. Es war sein erstes, und er hielt den Kasten sauber. Her­mann Rül­ander war das nicht ver­gönnt. Sein erstes Spiel wird man nicht ver­gessen und den Bedau­erns­werten noch lange mit der 2:9‑Niederlage asso­zi­ieren. Die späte Reha­bi­li­tie­rung: 1987 stieg er mit dem SV Meppen in die Zweite Bun­des­liga auf und blieb dort drei Jahre lang Stamm­keeper. Und das, obwohl es ein Ost­friese im Ems­land nicht unbe­dingt leichter hat.

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