Sebi, Hermann und das erste Mal

Als Ostfriese in Bremen muss man ohnehin ein dickes Fell haben, als ostfriesischer Torhüter beim SV Werder braucht man schon einen Schutzpanzer. Aber als ostfriesischer Torhüter, der eine der höchsten Niederlagen in der Geschichte des Vereins verschuldet hat, hilft einem gar nichts mehr – Hermann Rülander war verloren. Dabei witterte der 21-Jährige nach dem Kieferbruch des Stammkeepers Dieter Burdenski die Chance seines Lebens: Gegen Eintracht Frankfurt am 13. Spietag der Saison 1981/82 würde er spielen dürfen. Doch vielleicht atmete er die Bundesligaluft etwas zu tief ein. Völlig übermotiviert und deshalb meistens orientierungslos strauchelte er durch den Strafraum, vier Tore schenkten ihm die Hessen ein, eines schoss er selbst. Ins eigene Gehäuse, versteht sich. Ob Trainer Otto Rehhagel in der Pause überhaupt noch mit Rülander sprach, ist nicht überliefert. Nach zwei weiteren Gegentoren, beim Stand von 2:7 (am Ende hieß es 2:9), nahm er ihn vom Platz – die vollendete Schmach.
Zwar bewies der Geprügelte hinterher Steherqualitäten, indem er mutig formulierte: »Ich brauche noch Zeit und Erfahrung. Vielleicht geht es nächstes Mal besser.« Doch zu diesem nächsten Mal kam es nicht: Burdenskis Kauleiste war verheilt, und zwei Wochen nach dem Waterloo gab Manager Willi Lemke Rülander einen Scheck über 50.000 DM und den Laufpass.
»Die Vorfreude ist groß«
Ein solches Schicksal wird Sebastian Mielitz nicht widerfahren. Ob ihm Rülander überhaupt ein Begriff ist? Als es beim Ostfriesen sieben Mal klingelte, war der Brandenburger noch gar nicht auf der Welt. Warum auch zurückschauen, wenn soviel vor einem liegt? »Die Vorfreude ist groß«, strahlte der Jungspund, als er erfuhr, dass Thomas Schaaf ihn gegen den 1. FC Köln bringen würde, weil Stammkeeper Tim Wiese mit einer Grippe flach lag und auch Ersatzmann Christian Vander wegen einer Leisten-OP nicht einsatzfähig war. Der Junge muss ran. So wie Rüländer, damals gegen Frankfurt, als »Buddes« Zähne wackelten. Auch für Mielitz‘ war es das Bundesligadebüt, es galt eine Serie von 22 Spielen ohne Niederlage zu halten und Werders Spitzenambitionen zu untermauern. Der Druck war also ungleich höher als auf Platz 11 mit der U23. Doch der 20-Jährige hielt wie ein Alter. In der 53. Minute machte er gegen den schon innerlich jubelnden Milivoje Novakovic den Winkel so kurz, dass nicht einmal mehr ein Tennisball durchgeflutscht wäre. Kein Ball sollte Mielitz mehr passieren, am Ende hieß es 0:0.
Ein Ergebnis, das schnell vergessen sein wird. Sebastian Mielitz wird es indes in Erinnerung behalten. Es war sein erstes, und er hielt den Kasten sauber. Hermann Rülander war das nicht vergönnt. Sein erstes Spiel wird man nicht vergessen und den Bedauernswerten noch lange mit der 2:9‑Niederlage assoziieren. Die späte Rehabilitierung: 1987 stieg er mit dem SV Meppen in die Zweite Bundesliga auf und blieb dort drei Jahre lang Stammkeeper. Und das, obwohl es ein Ostfriese im Emsland nicht unbedingt leichter hat.
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